Auerhalb Kabuls kann es schnell gefhrlich werden - 11FREUNDE

Nick Pugliese, Sie sind Amerikaner und spielen Profifuball in Afghanistan. Wie ist das denn passiert? Ich habe schon frher im College gekickt. In Kabul habe ich fr eine Telekommunikationsfirma gearbeitet, aber da habe ich weder regelmig Fuball spielen knnen noch die Stadt kennengelernt. Die Sicherheitsbedingungen fr angestellte Auslnder, speziell fr Amerikaner, sind so streng, dass

Nick Pugliese, Sie sind Ame­ri­kaner und spielen Pro­fi­fuß­ball in Afgha­ni­stan. Wie ist das denn pas­siert?
Ich habe schon früher im Col­lege gekickt. In Kabul habe ich für eine Tele­kom­mu­ni­ka­ti­ons­firma gear­beitet, aber da habe ich weder regel­mäßig Fuß­ball spielen können noch die Stadt ken­nen­ge­lernt. Die Sicher­heits­be­din­gungen für ange­stellte Aus­länder, spe­ziell für Ame­ri­kaner, sind so streng, dass man gezwungen ist, in einer Art Par­al­lel­welt zu leben. Man wohnt in einer über­wachten Anlage und kann selbst zum Ein­kaufen im Super­markt um die Ecke nur in gepan­zerten Fahr­zeugen fahren. Jedes Mal, wenn ich bei einem Fuß­ball­spiel mit­ma­chen wollte, musste ich die Sicher­heits­leute über­reden. Aber irgend­wann habe ich heim­lich begonnen, beim Ferozi FC mit­zu­trai­nieren und im April hat mir der Verein dann einen Pro­fi­ver­trag ange­boten. Ich habe unter­schrieben und meinen Job gekün­digt.

Die rich­tige Ent­schei­dung?
Auf jeden Fall. Ich bekomme nicht viel Geld, aber genug zum Leben, und muss dafür nur das tun, was ich liebe. Außerdem kann ich mich end­lich frei bewegen und lerne so das Land und die Leute erst richtig kennen. Wenn ich meine afgha­ni­schen Freunde zu Hause besuche, mit ihnen koche, beginne ich zu ver­stehen, was die Men­schen hier bewegt. Wer in einem fremden Land lebt und die Sprache nicht richtig spricht, fühlt sich schnell iso­liert. Fuß­ball war für mich der Weg, aus dieser Iso­la­tion aus­zu­bre­chen.

Aber Sie kommen aus dem Land der Besat­zungs­macht, die meisten Ihrer Lands­leute tragen Uni­formen und Waffen. Wie sind Sie im Team auf­ge­nommen worden? 
Das läuft wahr­schein­lich so ab wie in jeder Mann­schaft der Welt. Wenn man seine Leis­tung bringt, fragt keiner groß nach, woher man kommt. Im Früh­jahr konnte ich dabei helfen, dass wir den Kabul-Pokal gewinnen, das war ein großer Erfolg und seitdem bin ich im Team voll akzep­tiert. Mitt­ler­weile bin ich sogar mit einigen Mit­spie­lern befreundet. Auch von den Geg­nern bekomme ich keine Son­der­be­hand­lung, weder im Guten noch im Schlechten.

In Afgha­ni­stan ist fast alles poli­tisch. Wird im Team über Politik gespro­chen?
Nein, das wird aus­ge­blendet. Es herrscht so eine Art pas­sive Frus­tra­tion über die all­ge­gen­wär­tige Kor­rup­tion, dar­über, dass kaum etwas im Land richtig funk­tio­niert. Und die Leute haben sicher auch Angst, alte Wunden auf­zu­reißen.

Haben Sie keine Angst, wenn Sie durch die Straßen laufen?
Angst nicht, aber ich ver­halte mich schon vor­sichtig. Die größte Gefahr ist, ent­führt zu werden. Des­halb ver­suche ich nicht auf­zu­fallen, trage lan­des­ty­pi­sche Klei­dung und vari­iere meine Wege.

Was hält eigent­lich Ihre Familie von der Sache?
Am Anfang waren meine Eltern geschockt. Doch der Wille, das zu machen, kam bei mir von Herzen und nie­mand hätte mich davon abbringen können. Ich glaube, mit der Zeit haben sie das ver­standen. Ich rufe sie jeden Tag an, um zu sagen, dass alles okay ist, auch wenn ich mit Freunden im Restau­rant esse oder im Park Tee trinke. Dann hören sie, dass da im Hin­ter­grund ein ganz nor­males Leben abläuft, mit Vogel­ge­zwit­scher und lachenden Men­schen, und das hier nicht ständig irgendwas explo­diert.

Trotzdem kann man sich kaum vor­stellen, dass in Afgha­ni­stan pro­fes­sio­nell Fuß­ball gespielt wird.
Es gibt zwei Sta­dien in Kabul, die beide in ganz ordent­li­chem Zustand sind. Ferozi spielt im Ghazi-Sta­dion und meis­tens trai­nieren wir da auch. In letzter Zeit mussten wir aber oft in die Halle aus­wei­chen – warum, weiß ich auch nicht. Der ganze Betrieb ist ziem­lich chao­tisch, oft erfährt man spontan, dass am nächsten Tag ein Spiel ansteht.

Und wie funk­tio­niert das Liga­system?
Es gibt zwei Ligen. Ich spiele in der Kabul-Liga, in der aus­schließ­lich Ver­eine aus der Haupt­stadt gegen­ein­ander antreten. Deren Spiele werden nicht im Fern­sehen gezeigt. Es gibt aber auch die lan­des­weite Afghan Pre­mier League, die ein biss­chen wie eine Rea­lity-TV-Sen­dung abläuft.

Wie bitte?
Die Liga wird von einem großen Tele­kom­mu­ni­ka­ti­ons­un­ter­nehmen gespon­sert, jeder der acht Ver­eine ver­tritt eine Region des Landes. In den unter­schied­li­chen Gebieten können die Spieler zum Pro­be­trai­ning kommen. Die Aus­wahl läuft dann fast wie bei der Fern­seh­sen­dung Das Super­ta­lent“. Der größte Pri­vat­sender hat daraus eine Cas­ting­show gemacht. Die Kan­di­daten mussten fern­seh­taug­liche Prü­fungen absol­vieren, etwa mit großen Gum­mi­reifen umher­rennen, was ich noch nie bei einem Fuß­ball­trai­ning gesehen habe. Eine Exper­ten­jury wählt dann die Spieler aus. Im ersten Jahr haben sogar die Fern­seh­zu­schauer per SMS für ihre Lieb­linge gestimmt. Das wurde im zweiten Jahr gelassen, weil es offenbar nicht nach Qua­lität ging.

Haben Sie sich nicht beworben?
Bisher durften Aus­länder nicht in dieser Liga spielen. Für die nächste Saison haben sie mich aber zum Pro­be­trai­ning ein­ge­laden. Es wäre ein Traum dort zu spielen, allein schon wegen der Mög­lich­keit, das gesamte Land ken­nen­zu­lernen. Doch ich muss mir auch noch mal ganz genau über­legen, wie ris­kant das wäre. Außer­halb Kabuls kann es für Aus­länder doch schnell gefähr­lich werden – erst recht, wenn mich alle aus dem Fern­sehen kennen.

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