
Thomas Kraft
Der Nachmittag im pittoresken Sinsheim hatte für Herthas Torsteher wenig erfolgreich begonnen, als er sich aufgrund der tiefstehenden Sonne für ein abgegriffenes Baseball-Cap entschied, das Guido Maria Kretschmer fristlos ins Wachkoma versetzte. Einmal abgenommen konnte das restschöne Platzwart-Artefakt dann nicht nur zwei Salihovic-Tore, sondern auch eine Handvoll spielentscheidender Glanzparaden seines Besitzers bewundern. Dem schwoll angesichts der Leichtsinnigkeit seiner Mit- und der Unverfrorenheit seiner Gegenspieler die Halsschlagader auf die Größe einer Bockwurst an. Zum dräuenden Bareknuckle-Fight mit dem humanoiden Komprimat Kevin Volland kam es aber im Gegensatz zum ersten Berliner Auswärtssieg nicht.
Patrick Ochs
Endlich mal einen Rotschopf im Team! In Person von Patrick Ochs streift sich eine seltene Spezies die diarrhöfarbene 11FREUNDE-Viskose über. Zum Dortmunder Furor (siehe Jürgen Klopp) schlenzte Karottenpatti, wie wir ihn nennen dürfen, formvollendete Flanken aus seinen kleinen Hamsterbeinchen und ochste hinten wie vorn so überaus zuverlässig, dass sein Trainer Dieter Hecking 90 Minuten die voluminösen Brauen hob. Einen Stammplatz hat der Rechtsverteidiger beim VfL dennoch nicht sicher. Ochs kann warten. Schließlich ist er, wie der „Bachelor“ sagen würde, „ganz doll der Verzögerungsgenießer“. Wir hingegen nicht. Wer unsere Stammplatz-Petition unterstützen will, verfasse bitte eine Mail an mick.hucknall@11freunde.de.
Der Kampf
Die viel zitierte Grundtugend hatte in Hannover einen Sahnetag erwischt – und verdammt viel Gaudi beim 1000. torlosen Remis der Ligahistorie. Ihre Omnipräsenz ging allerdings ein bisschen … ja, okay … ging sehr zu Lasten des Spiels. Jedes zweite Zuspiel der Braunschweiger landete bei 96, das selbst nicht über 75 Prozent Passgenauigkeit hinauskam. Eine Derby-Stunde waren so Pi mal Grätsche sieben Menschen-Stunden. Das Ganze sah ein bisschen aus wie eine Sexszene bei den „Tudors“: durchaus engagiert, aber sehr verkeilt.
Jürgen Klopp
Taxierte 360 Tage im Jahr tanzt im Herzen von „Kloppo“ – wie ihn Vertraute landläufig nennen – eine gelbe Congaschlange. Damit war bei den „gebrauchten Tagen“ gegen Arsenal (0:1) und zuletzt in Wolfsburg (1:2) so abrupt Schluss, dass sich Klopp den schmerzlichen „Gesetzmäßigkeiten des Fußballs“ gewahr wurde. Gewahr wurde uns dankenswerterweise nicht nur Dortmunds Fehlbarkeit, sondern auch wie herrlich ungern „Everybody’s and Commercial Darling“ verliert. Nun hat Jürgen K. die Faxen erstmal dicke. Für die Länderspielpause empfehlen wir eine besinnliche Fahrradtour: Mit dem Bierbike durch Weimar soll ganz nett sein. Oder mit dem Rhönrad durchs Elbsandsteingebirge.
Jerome Boateng
Wir hätten uns angesichts der berückenden Serien-Bayern getrost auch für Franck Ribéry und seinen Mach-3-Freistoß in den rechten Augsburger Winkel entscheiden können. Bayerns Innenverteidiger überzeugte aber bereits in der vierten Spielminute auf gänzlich fremden Terrain und drosch die Pille aus der Drehung mit solcher Vehemenz und Präzision in den Knick, dass Gästekeeper Marwin Hitz danach zum Labsal seiner Mitspieler Synapsengulasch verteilen konnte. Und auch in gängiger Umgebung überzeugte Boateng: Dank seinen 85 Prozent gewonnener Zweikämpfe und 90 Prozent angekommener Pässe war München am Samstagnachmittag so sicherheitsaffin, dass die Stadtverwaltung kurz vor der Verabschiedung einer Helmpflicht für Fußgänger gestanden haben soll.
Kevin-Prince Boateng
Der andere Stammhalter der Familie Boateng jubelte nach seinem Doppelpack gegen Bremen so entrückt, dass man die Szenen eher für Zeitlupen aus „300“ hätte halten können. Ansonsten waren Boateng Altertümlich- oder Grobschlächtigkeit fremd: Schalkes Beau versenkte seine zwei Kopfbälle mit solcher Akkuratesse, dass Valid Hashemian, Kalle Riedle und Horst Hrubesch verzückt von der heimischen Eckbank hochstiegen und ihre nachmittäglichen Pudding-Plunderteilchen aus der Stube schädelten.
Pierre-Michel Lasogga
Es ist gespenstisch, wie die vorderste Bedrohung des HSV derzeit aufspielt: Acht Spiele und ebenso viele Tore stratzte der gaulartige Gladbecker bisher aus den littfaßsäulendicken Oberschenkeln und seinem Minotauros-Nacken. Sogar bei Bayer 04 hielt er seine Mannen mit einem Doppelpack eine Weile im Spiel – und stuckte seinen Riechkolben nach dem zwischenzeitlichen Ausgleich so resolut ins Leverkusener Grün, dass im HSV-Onlineshop eine Großbestellung des Hamburger Leibchens mit der Nummer 20 auf den Namen „Mike Krüger“ eingegangen sein dürfte. Der Träger des Jerseys, also Lasogga, trifft in der Bundesliga im Schnitt alle 68 Minuten, was in etwa der Zubereitungszeit eines Hackbratens entspricht. Wenn da ein kausaler Zusammenhang besteht, heißt diese Rubrik künftig „Die 10 des Spieltages“. Weil Lasogga gesetzt ist.
Timo Werner
Der begehrte „11FREUNDE-Lausbub in Katzengold“ geht diese Woche an … bumm tsch … Timo Werner! Dass Freiburgs Defensive lückenhafter als eine Konversation zwischen Sven Väth und Elfriede Jelinek sein würde, stand aufgrund der Breisgauer Personalfluktuation bereits am Sonntagmittag fest. Denn eines wissen selbst wir Hobby-Bundestrainer: Never win a changing team. Aber mit welcher Selbstverständlichkeit und Impertinenz Stuttgarts Wildfang mit seinen 17 Jahren und 250 Tagen dann zum Titel „Jüngster Doppelpacker der Bundesligageschichte“ preschte, nötigt uns allen zahnspangenbewährten Respekt ab.
Heung-Min Son
Dinge, die man in einem Bundesligaspiel vermeiden sollte: Drei Tore gegen den eigenen Entdecker schießen. Dinge, die sich in einem Bundesligaspiel geziemen: Gegen seinen Entdecker mit Respekt jubeln. Und da man Asiaten ohnehin hervorragende Manieren nachsagt, hatten wir nichts anderes erwartet, als dass sich Heung-Min Son zwar ehrlich über den ersten Bundesliga-Dreierpack eines Südkoreaners freuen, aber im gleichen Atemzuge auch bereuen würde, dass ihm seine ersten Tore seit dem Saisonauftakt „ausgerechnet“ (der Boulevard atmet auf) gegen den Ex-Klub und die „eigene Familie“ gelangen. Leid tat uns vorrangig Nationalspieler Heiko Westermann, den der im Körper eines Grundschülers gefangene Koreaner dreimal aussehen ließ wie Lasse Sobiech.
Ivica Olic
Ihr wisst es. Wir wissen es. Dieser Mann taucht im vorliegenden Klassement gewiss nicht das erste und noch gewisser nicht das letzte Mal auf. Der kernige Kroate (34) – Hobbys Reiten, Freunde treffen, Kino und Wühlen – ging gegen Dortmund gewohnt nonkonformistisch zu Werke. Resultat: Den Freistoß zum Ausgleich von Rodriguez herausgeholt, das goldene Tor selbst erzielt. Letzteres war beinahe eine Blaupause seiner Karriere: Staksig in den Zweikampf gehen und den Ball ein bisschen zu weit weg legen, um ihn anschließend aus einem Gummigelenk heraus ein bisschen zu schön an den Dortmunder Innenpfosten zu malen. Wen dieses Tor nicht glücklich gemacht hat, der war es bereits.
Adrian Ramos
Stichwort kernig, Stichwort glücklich – und schon wären wir beim zweiten Herthaner dieser erlesenen Eleven. Das dürfte seit dem ersten Spieltag nicht mehr der Fall gewesen sein. Aber Adrian Ramos nicht zu nominieren, würde diese Elf der auffällig Auffälligen zu beeindruckender Nutzlosigkeit verdammen. Wie Herthas Sturmfeile seine geräumigen Widersacher Süle, Abraham und Vestergaard vernaschte war à la bonne heure. Mit einem ziemlich fragwürdigen Elfmeter schickte er die „Kraichgau Comeback Kids“ bauernschlau in die Wuthöhle, bevor sein Fabel-Kopfball das unterste Klötzchen aus dem labilen Jenga-Turm der TSG Hoffenheim zog.
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